Das Denkmal in Bewegung

Ein Denkmal-Bus blockiert dauerhaft die alte Pforte der ehemaligen Heilanstalt Ravensburg-Weißenau, von wo aus die Busse in das Vernichtungslager Grafeneck fuhren. Ein zweiter identischer grauer Denkmal-Bus wechselt seine Standorte sowohl entlang der Verwaltungswege der „T4-Aktion" als auch der historischen Fahrstrecken der Todesbusse. Mit dieser Arbeit wird nicht nur den Opfern des „Euthanasie"- Mordes ein Denkmal gesetzt; es werden auch Tat und Täter reflektiert, indem die grauen Busse, die Werkzeuge der Täter, als Transportmittel der Erinnerung genutzt werden, gewissermaßen als Geschichtsvehikel. Der Transport des 70 Tonnen schweren Beton-Busses ist ein Transport von verdrängter Geschichte. Dabei spielt das Versetzen des Denkmals eine wichtige Rolle. Ähnlich unserer Erinnerung kommt und geht dieses Erinnerungszeichen in Form des grauen Busses; so wie im Alltag, in der Gegenwart, Verdrängtes und Tabuisiertes immer wieder plötzlich auftaucht und verschwindet. Erinnerung ist ein Prozess. Sie schafft Bilder, vergisst Bilder, verändert sich ständig, ist immer in Bewegung. Erinnerung und Verdrängung sind auch in der Psychiatrie zentrale Themen. Der Bus folgt dem Verwaltungsweg des „Euthanasie"- Mordes, markiert Orte der Tat, Orte der Opfer und Orte der Täter, und verlässt sie wieder. Der zweite Bus verbleibt so lange an seinem jeweiligen Aufstellungsort, wie Initiativen und Gemeinden dies untereinander vereinbaren. Der Transport wird durch Spenden und öffentliche Mittel finanziert. Entscheidend ist, dass das Denkmal in Bewegung bleibt.

Mit diesem Entwurf wollen wir nicht nur den Opfern des »Euthanasie«- Mordes ein Denkmal setzen, sondern reflektieren auch die Tat und die Täter, indem die grauen Busse, die Werkzeuge der Täter, als »Transportmittel« der Erinnerung genutzt werden. Denn es geht um die Erinnerung einer ganzen Region, nicht nur von Ravensburg und Weißenau.

Horst Hoheisel und Andreas Knitz, Ravensburg 2006