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Chemnitz |
Zwiefalten 19. April 2012 |
Der Standort Zwiefalten als Haltestelle des Grauen Busses Als das Mahnmal der Grauen Busse entworfen wurde, sollte der mobile Teil ursprünglich von der Ravensburger Gartenstraße aus zur Gedenkstätte in Grafeneck reisen. Doch das allgemeine Interesse war viel größer als erwartet, zahlreiche andere Städte fragten das Mahnmal an, die ursprünglich geplante Route wurde verlassen. So wurde der Platz vor der Berliner Philharmonie, der ehemalige Ort des Anwesens der „Tiergartenstraße 4“, die zu der Bezeichnung „T4“ für die sogenannte Euthanasie an psychisch Kranken und geistig Behinderten im Nationalsozialismus wurde, zum nächsten vorübergehenden Standort des mobilen Teils des Mahnmals. Dies zur Überraschung aller Beteiligten. Mit der Station Zwiefalten - nach einer ganzen Reihe von Städten, über die das vorliegende Buch Auskunft gibt - ist nun erstmals ein Ort auf der Route des Busses vertreten, der der ursprünglichen Planung entlang des künstlerischen Entwurfs von Hoheisel und Knitz Rechnung trägt. Die Anstalt Zwiefalten im Nationalsozialismus Aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu der bereits erwähnten Vernichtungsstätte Grafeneck bei Münsingen spielte die staatliche württembergische Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten eine ganz besondere Rolle für die NS-„Euthanasie“-Verbrechen im deutschen Südwesten im Jahr 1940, z.T. auch darüber hinaus. Staatliche, kirchliche und private Einrichtungen wurden in dieser Zeit ganz oder teilweise aufgelöst, die Patienten, wie es hieß, aus „planwirtschaftlichen“ Gründen nach Zwiefalten verlegt. Schon bei Kriegsbeginn im September 1939 waren 500 Patienten und Personal der badischen Pflegeanstalt Rastatt nach Zwiefalten, das bereits durch Patienten aus Südtirol über die Grenzen seiner Kapazität gelangt war, verlegt worden. Zwiefalten wurde zu einer sogenannten Zwischenanstalt für Patienten und Heimbewohner anderer Einrichtungen auf ihrem Weg in die Vernichtung umfunktioniert. Von Zwiefalten in die Tötungsanstalt Grafeneck Am 2. April 1940 verließ der erste Transport die Heilanstalt Zwiefalten, um psychisch kranke Männer, Frauen und Kinder der nahegelegenen Grafenecker Gaskammer auszuliefern. Bis zum 9. Dezember 1940 fuhren 22 Transporte mit mehr als 1000 Patienten, darunter auch Kinder, aus Zwiefalten ab. Neben den Zwiefalter Stammpatienten kamen die Opfer auch aus den Einrichtungen Rastatt, Bedburg- Hau, Konstanz, Liebenau, Günzburg, Heggbach, Herten, Mariaberg, Rabenhof, Kork, Stetten, Sinsheim, Wiesloch, Kaufbeuren und Weinsberg. Sie alle wurden nach eher kurzem Aufenthalt in Zwiefalten oder direktem Transport nach Grafeneck bereits am Tag ihrer Ankunft in Grafeneck ermordet. Nur wenige wurden zurückgestellt und überlebten. Das Morden in Grafeneck endete im Dezember 1940; das Täterpersonal wurde nach Hadamar in Hessen versetzt, wo sie im Januar 1941 ihr grausames Werk fortsetzten. Nicht wenige dieser Täter wurden hiernach in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten im Gebiet des heutigen Polen eingesetzt. In Zwiefalten wurde nach 1940 die „Euthanasie“ an einzelnen Patienten weitergeführt. 1941 wurde die Anstalt in eine reine Pflegeanstalt umgewandelt. Die Planer der „Euthanasie“-Aktion hatten offenbar dieser Einrichtung eine weitere spezifische Aufgabe zugedacht, indem sie besonders schwere Pflegefälle dorthin verlegen ließen. Einkalkulierte Folge dieser gezielt herbeigeführten Überbelegung war eine kontinuierlich ansteigende Sterberate. Allein im Jahr 1945 verzeichnete die 800 Betten-Anstalt Zwiefalten, die zu diesem Zeitpunkt mit mehr als 1100 Menschen belegt war, 571 Todesfälle. Insgesamt wurden mehr als 1500 Patienten in Zwiefalten getötet. Neben der Untersuchung dieser historischen Ereignisse und der Aufarbeitung mittels unserer Forschung möchten wir mit der Übergabe des Mahnmals an die Zwiefalter Öffentlichkeit ein Zeichen der Erinnerung setzen. Ein Rahmenprogramm wird diese Initiative flankieren. |